Textatelier
BLOG vom: 15.05.2016

Ansatz zum Aufsatz

Autor: Emil Baschnonga, Aphoristiker und Schriftsteller, London


Wenigstens einmal in der Woche wollte unser Deutschlehrer seine Ruhe haben und schrieb fünf Aufsatzthemen auf die Wandtafel. Welches wir aufgreifen wollten, blieb uns freigestellt. Der Lehrer korrigierte alsdann die Aufsätze der Vorwoche. Wir hatten eine Stunde Zeit, bevor er die Aufsätze einsammelte.

Hurtig wählte ich mein Thema und schrieb munter drauflos. Viele meiner Mitschüler grübelten lange, bis sie ihr Thema wählten. Mühsam schichteten sie schliesslich ihre Sätze mit gequältem Ausdruck aufs Papier. “Schreibzeug weglegen”, gebot der Lehrer.

Auch diesmal beugte sich der Lehrer neugierig über meinen Aufsatz und nickte beifällig. Deutsch war das einzige Fach, in dem ich mich auszeichnete, später von anderen Sprachen gefolgt. Das war mein Trost. Das Schreiben verankerte sich nach und nach in mir und war an keinen Zwang gebunden. Und so ist es bis auf den heutigen Tag geblieben.

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In jedem Menschen schlummert eine Begabung, die sich erwecken lässt. Diese Tatsache wird leider nicht genug gewürdigt und anerkannt. Dagegen lässt sich wenig ausrichten. Manchmal wird eine Begabung, gleich welcher Art, zufällig entdeckt. Das ist ein Speicher zur Lebensfreude. Voltaire hat es trefflich gesagt: “Il faut cultiver son jardin”.

 


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